Vertragsverletzungsverfahren wegen nicht umgesetzter Whistleblower-Richtlinie

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Bis 17. Dezember 2020 wäre Zeit gewesen, die Richtlinie (EU) 2019/1937 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, kurz Whistleblower-Richtlinie, in nationales Recht umzusetzen. Österreich hat diese Frist ungenutzt verstreichen lassen und Berichten zufolge nicht einmal einen Gesetzesentwurf zustande gebracht. Jetzt reagiert die EU mit einem Vertragsverletzungsverfahren.

Hinweisgebersysteme sind insbesondere in den Bereichen Finanzdienstleistung und Geldwäsche-Prävention bereits verpflichtend. „Nach der Finanzkrise, die schwerwiegende Mängel bei der Durchsetzung der geltenden Vorschriften ans Licht gebracht hat“ (Zitat Erwägungsgrund Nr. 7 der Richtlinie von in Summe 110) wurden in einer Vielzahl von Rechtsakten Maßnahmen zum Schutz von Hinweisgebern („Whistleblowern“) eingeführt, darunter interne und externe Meldekanäle sowie ein ausdrückliches Verbot von Repressalien.

Die Richtlinie verpflichtet juristische Personen des privaten und öffentlichen Sektors dazu, Kanäle und Verfahren für interne Meldungen und für Folgemaßnahmen einzurichten. Die Pflicht umfasst grundsätzlich Unternehmen des privaten Sektors mit 50 oder mehr Arbeitnehmern, wobei die Bestimmungen für juristischer Personen mit 50 bis 249 Arbeitnehmern erst bis zum 17. Dezember 2023 umzusetzen sind. Meldekanäle können intern von einer hierfür benannten Person oder Abteilung betrieben oder auch extern von einem Dritten bereitgestellt werden.

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Die Pflicht zur Einrichtung interner Meldekanäle gilt gleichlautend auch für alle juristischen Personen des öffentlichen Sektors. Die Mitgliedstaaten können allerdings Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern oder weniger als 50 Arbeitnehmern von dieser Verpflichtung ausnehmen. Ob Österreich diese Möglichkeit nutzen wird, ist (mir) unbekannt.

Meldekanäle müssen unter anderem so sicher konzipiert, eingerichtet und betrieben werden, dass die Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers und Dritter, die in der Meldung erwähnt werden, gewahrt bleibt. Jede Form von Repressalien gegen den Hinweisgeber ist verboten. Die Richtlinie nennt in diesem Zusammenhang beispielsweise Suspendierung oder Kündigung, Herabstufung oder Versagung einer Beförderung, negative Leistungsbeurteilung oder Disziplinarmaßnahmen einschließlich finanzieller Sanktionen.

Die nationale Umsetzung lässt noch auf sich warten. Daher auch die Antwort auf die Frage, ob Unternehmen auch anonymen Meldungen nachgehen müssen.

By the way … wie DerStandard.at berichtet (Kein Whistleblower-Gesetz: EU leitet Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich ein) wurden neben Österreich noch weitere 23 (!) EU-Mitgliedstaaten über das Einleiten eines Vertragsverletzungsverfahrens informiert. Stolze 24 von insgesamt 27 EU-Staaten haben also die Whistleblower-Richtlinie nicht fristgerecht umgesetzt. Haben die europäischen Politiker womöglich gar kein Interesse daran, dass Verstöße gegen das Unionsrecht, also auch Missbrauch von Unionsgeldern, gemeldet und verfolgt werden?


Link zur Internetseite EUR-Lex mit der Whistleblower-Richtlinie …