
Umweltaussagen wie „CO2-neutral“ und „klimapositiv“ sollen zukünftig überprüfbar sein.
„CO2-neutrales Motorenöl“, „CO2-neutral gebrautes Bier“, „CO2-neutrale Flüge“, mit solchen und ähnlichen Werbeaussagen wollen Unternehmen uns Konsumenten zum Kauf ihrer Produkte und Dienstleistungen animieren und gleichzeitig deren Klima- und Umweltfreundlichkeit loben. Den rechtlichen Rahmen stellt schon seit dem Jahr 2000 das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb dar. Dieses verbietet aggressive und irreführende Geschäfts- bzw. Werbepraktiken. Von diesem Verbot umfasst sind grundsätzlich auch Umweltaussagen. In einem Richtlinien-Entwurf aus dem März 2023, der im heurigen Jahr finalisiert werden soll, konkretisiert die EU-Kommission ganz gezielt „die Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen und die diesbezügliche Kommunikation“.
Verbraucherschutz im Fokus
Der EU sind, im Zuge des Kampfes gegen Greenwashing, die vielen unterschiedlichen „grünen“ Siegel, Labels und Berechnungsmethoden ein Dorn im Auge. Verbraucher könnten nur schwer feststellen, ob Umweltaussagen vertrauenswürdig sind, meint die EU-Kommission. Wenn aber Umweltaussagen nicht verlässlich, vergleichbar und überprüfbar sind, können Konsumenten mit ihren Kaufentscheidungen nicht in vollem Maße dazu beitragen, bessere Umweltleistungen
zu belohnen. Also braucht es neue, strengere Regeln, die die vorhandenen Bestimmungen zum unlauteren Wettbewerb konkretisieren.
Green Claims Directive
Der Entwurf zur Green Claims Directive (GCD), so der Titel der geplanten EU-Richtlinie über Umweltaussagen, ist untrennbar mit der neuen, am 6. März 2024 veröffentlichten EU-Verbraucherschutz-Richtlinie – unter dem Titel „Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel“ – verbunden. Während die fertigen neuen Verbraucherschutzbestimmungen (nach nationaler Umsetzung) fix ab 27. September 2026 anzuwenden sind, ist der Zeitpunkt der GCD-Anwendung noch nicht absehbar. Bis Ende 2027 wird es aus aktueller Sicht wohl dauern.

Gemeinsam mit Co-Autorin Dr. Mariella Julia Franz habe ich im Herbst 2024 für die Fachgruppe Werbung & Marktkommunikation der Wirtschaftskammer Wien das Whitepaper zur EU-Richtlinie über Umweltaussagen geschrieben.
Grenze der Machbarkeit
Freiwillige (also alle nicht gesetzlich vorgeschriebenen) Aussagen über Umwelteigenschaften eines Produkts oder einer Dienstleistung müssen im Sinne des GCD-Entwurfs verlässlich, vergleichbar und überprüfbar sein, um vor Greenwashing zu schützen. Es soll sogar eine Vorab-Prüfung (bis hin zur regelmäßigen Überwachung) expliziter Umweltaussagen durch unabhängige Sachverständige geben, bevor diese kommuniziert werden dürfen. Ob auch mündliche Aussagen, beispielsweise in einem Radio-/TV-Spot oder Interview (etwa eines CEOs), umfasst sind, ist noch Gegenstand der Verhandlungen auf EU-Ebene.

Ausdrückliche Umweltaussagen sollen hinreichend begründet werden müssen. Begründungen müssen sich auf anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse sowie den neuesten Stand der Technik stützen und nachweisen, dass die beworbenen Aspekte für den gesamten Lebenszyklus des Produkts erheblich sind. Wie all diese schwammig formulierten Kriterien faktisch erfüllt werden können, ist unklar.
Umbruch in der Werbelandschaft
In der Werbe- und Kommunikationsbranche sorgen die Pläne bereits für spürbare Unsicherheit. Welche „grünen“ Werbeaussagen dürfen noch getätigt werden? Wer ist für die Belege verantwortlich, Unternehmen oder Werbeagentur? Verschwinden Umweltaussagen (sicherheitshalber) gänzlich aus der Werbung, weil Rechts- und Reputationsrisiken unkalkulierbar werden? Konsumenten erwartet mit der Green Claims Directive womöglich eine vollkommen neue Werbelandschaft. Und der Werbebranche steht ein Paradigmenwechsel bevor.
Dieser Beitrag ist erstmals im Börsen-Kurier Nr. 7 vom 13. Februar 2025 erschienen.
