ESMA analysiert Auswirkungen von Greenwashing auf Aktienkurse
Greenwashing ist der EU ein Dorn im Auge, daher verstärken verschiedene EU-Institutionen den Kampf dagegen. Als „Waffe“ dienen dem europäischen Gesetzgeber Regularien wie etwa die kommende Green Claims-Richtlinie. Aufsichtsbehörden gehen ebenfalls gegen Grünfärberei vor. So hatte die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA bereits die Idee, ESG-bezogene Begriffe in Fondsnamen nur noch dann zu erlauben, wenn ein Mindestanteil der Investitionen nachweisbar zum Erreichen der ESG-Ziele beiträgt.
In einem aktuellen Artikel untersucht die ESMA nun, welche finanziellen Auswirkungen Greenwashing bzw. ESG-Kontroversen auf Unternehmen haben. Diese Analyse sei wichtig, denn der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft setze Vertrauen in das Engagement und die Fähigkeit der Unternehmen voraus, ihre Geschäftsabläufe so anzupassen, dass sie zur Erreichung der europäischen Klimaziele beitragen. Greenwashing drohe jedoch das Vertrauen von Anlegern und Verbrauchern zu untergraben. Daher ist es aus Sicht der ESMA wichtig, dieses Problem zu überwachen und zu bekämpfen.
Unter ESG-Kontroversen versteht die Behörde Anschuldigungen, die von Interessengruppen vorgebracht und über lokale oder internationale Medien verbreitet werden, und einzelne Unternehmen oder ganze Sektoren im Hinblick auf ihre potenziellen negativen Auswirkungen auf ökologische und soziale Faktoren herausgreifen. Als Datenbasis der Analyse dienen Vorwürfe von Stakeholdern zu vermeintlichen Diskrepanzen zwischen (irreführender) nachhaltigkeitsbezogener Kommunikation und Unternehmenstätigkeit.
Dabei muss die ESMA eingestehen, dass Greenwashing hauptsächlich im Auge des Betrachters liegt und stets eine subjektive Dimension enthält. Auch liefern Berichte über ESG-Kontroversen keine genauen Informationen über das Ausmaß oder die Häufigkeit von Greenwashing. Sie spiegeln lediglich die öffentliche Wahrnehmung wider, was jedoch zum Reputationsschäden für die betroffenen Unternehmen führen kann.
Zwischen 1. Januar 2020 und dem 31. Dezember 2021 waren 191 Unternehmen (32 % aller STOXX Europe 600-Mitglieder), in insgesamt 933 Vorfälle von irreführender Kommunikation verwickelt, die „den bestehenden Definitionen von Greenwashing sehr nahekommen“. Zu beobachten ist eine deutliche Häufung im Öl- und Gassektor, gefolgt vom Finanzsektor und dem Lebensmittel- und Getränkesektor. Auf diese drei Sektoren entfällt mehr als die Hälfte aller Greenwashing-Kontroversen. Darüber hinaus betreffen mehr als ein Viertel (28 %) aller Kontroversen nur fünf Unternehmen, wobei vier dieser fünf Unternehmen aus dem Öl- und Gassektor stammen.
Bei der Analyse der Auswirkungen der ESG-Kontroversen auf Aktienrenditen und Unternehmensbewertungen fand die ESMA zusammenfassend „keine systematischen Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Faktoren“. Es gibt selbst dann keine eindeutigen Auswirkungen von Greenwashing-Vorwürfen auf Aktienrenditen, wenn ein potenzielles rechtliches Risiko besteht. Alles deutet also darauf hin, dass es keinen wirksamen marktbasierten Mechanismus gibt, der dazu beitragen könnte, potenzielles Greenwashing-Verhalten zu verhindern.
Aus Sicht der ESMA unterstreicht das Ergebnis die Bedeutung klarer politischer Vorgaben durch Regulierungsbehörden und die Bemühungen der Aufsichtsbehörden, die Glaubwürdigkeit nachhaltigkeitsbezogener Aussagen zu gewährleisten. Der Kampf gegen Greenwashing wird sich auf EU-Ebene also fortsetzen.
Dieser Beitrag ist erstmals im Börsen-Kurier Nr. 7 vom 15. Februar 2024 erschienen.