Ab 12. Oktober 2022 müssen die neue ESMA-Leitlinie angewendet werden.
Am 12. Oktober 2022 ist es soweit: ab diesem Tag, sechs Monate nach der Veröffentlichung, gelten die neuen ESMA-Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID-II-Anforderungen an die Angemessenheit und das reine Ausführungsgeschäft angewendet. Hier ein paar „Highlights“.
Ganz grundsätzlich sollen Rechtsträger über angemessene Regelungen verfügen, die sicherstellen, dass einzelfallbezogen bestimmt bzw. unterschieden werden kann, ob eine Angemessenheits- oder eine Eignungsbeurteilung vorgenommen werden muss.
Unterschied zwischen Wertpapierdienstleistung mit und ohne Beratung
Die ESMA verlangt eine kurze Erläuterung der wichtigsten Unterschiede zwischen Wertpapierdienstleistungen mit Beratung (Geeignetheitsbeurteilung) und ohne Beratung (Angemessenheitsbeurteilung) unter Berücksichtigung der anwendbaren Anforderungen, um Unklarheiten zwischen beiden zu vermeiden.
Im Rahmen einer dauerhaften Geschäftsbeziehung mit Kunden müssen Rechtsträger diese Informationen nicht vor dem Erbringen jeder einzelnen Dienstleistung ohne Beratung bereitstellen. Laut ESMA reicht es aus, wenn die Informationen vor dem Erbringen der ersten Dienstleistung ohne Beratung bereitgestellt werden.
Ich empfehle (auch im Sinne des besseren Verständnisses der Kunden), im Rahmen dieser Information – soweit dies nicht ohnehin schon der Fall ist – auch auf weitere wichtige Aspekte von Dienstleistungen mit und ohne Beratung hinzuweisen. Zum Beispiel auf die jeweils erforderlichen Angaben, die Kunden machen müssen, sowie auf die Konsequenzen, wenn Kunden diese Angaben nicht machen.
Aktuelle, korrekte und vollständige Informationen
Bereits Standard im Rahmen der Informationseinholung bei Kunden sollte der Hinweis sein, dass Rechtsträger für die Durchführung der Beurteilung der Angemessenheit (oder Eignung) verantwortlich sind, und es daher wichtig ist, dass die Informationen der Kunden aktuell, korrekt und vollständig sind. Ergänzt durch den Hinweis, dass dies insbesondere dem Wahren der Interessen der Kunden dient, wenn Angaben richtig und vollständig gemacht werden.
Angemessenheit bei juristischen Personen und Gruppen
Klargestellt werden in Form einer Erklärung sollte ebenso, von wem die erforderlichen Informationen bei juristischen Personen bzw. deren Vertretern und Gruppen aus mindestens zwei natürlichen Personen eingeholt und der Beurteilung zu Grunde gelegt werden.
Ratsam erscheint ein möglichst vorsichtiger Ansatz bei dem die Informationen jener Person mit den geringsten Kenntnissen und Erfahrungen berücksichtigt wird. Dies insbesondere dann, wenn es erhebliche Unterschiede zwischen den Kenntnissen und Erfahrungen der verschiedenen der Gruppe angehörenden Kunden gibt oder wenn das beabsichtigte Geschäft unter Umständen Anlageprodukte mit Hebelwirkung umfassen könnte, die das Risiko erheblicher Verluste bergen.
Eindeutiger Warnhinweis
Der gegebenenfalls erforderliche Warnhinweis an den Kunden ist eindeutig und detailliert anzugeben, wie zum Beispiel:
- Warnhinweis, weil der Kunde keine Informationen bereitgestellt hat, oder
- Warnhinweis, weil die erhobenen Informationen nicht ausreichen und deshalb die Angemessenheit der beabsichtigten Transaktion nicht beurteilt werden kann, oder
- Warnhinweis, weil die Beurteilung der vom Kunden bereitgestellten Informationen zu dem Ergebnis führt, dass die beabsichtigte Transaktion für den Kunden nicht angemessen ist.
Kenntnisse & Kompetenzen von Mitarbeitern
Die an der Angemessenheitsbeurteilung beteiligten Mitarbeiter sollen die Rolle verstehen, die sie bei dieser Beurteilung spielen, und über ein angemessenes Niveau an Fähigkeiten, Kenntnissen und Fachkunde verfügen, darunter auch ausreichende Kenntnisse der einschlägigen Aufsichtsanforderungen und -verfahren, um ihrer Verantwortung gerecht werden zu können. Zu diesem Zweck sollen Rechtsträger ihre (relevanten) Mitarbeiter regelmäßig weiterbilden.
Fazit
Vorhandene Regelungen, KYC-Dokumente und Leitlinien sind auf Basis der neuen ESMA-Leitlinie wohl in einzelnen Details anzupassen. Schon alleine deshalb, um im Anlassfall der FMA gegenüber nachweisen zu können, dass die neuen Leitlinien bekannt sind und vorhandene Prozesse überprüft wurden.