AK Wien geht der Frage nach, ob Finanzberater Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen
Einmalig 20.000 Euro und optional 200 Euro monatlich sollen bei einem Anlagehorizont von 7 bis 10 Jahren bei mittlerem Risiko investiert werden. Mit diesem Testdesign schickte die Arbeiterkammer Wien Testkäufer zu 55 Finanzdienstleistern (11 Banken, 14 Versicherer, 15 Vermögensberater, 14 Versicherungsvermittler). Insgesamt 93 Termine fanden von Juli bis Oktober 2023 statt.
Im Rahmen des Mystery Shoppings sollten die Finanzberater geeignete Produktvorschläge erarbeiten und anbieten. Für den Fall, dass Nachhaltigkeitsaspekte nicht proaktiv vom Berater thematisiert wurden, erfolgte die Initiative durch den Testkäufer. Zusätzlich wurde die Reaktion auf das Ansprechen des österreichischen Umweltzeichens untersucht.
Komplexe gesetzliche Pflicht
Mit der Studie geht die AK Wien der Frage nach, wie Finanzberater die seit 2. August 2022 bestehende Pflicht zur Abfrage der kundenseitigen Nachhaltigkeitspräferenzen umsetzen. Einfach gesagt, müssen Wertpapier- und Versicherungsberater ihre Kunden fragen, ob, und wenn ja, inwieweit bei der geplanten Investition EU-konforme nachhaltige Investitionen berücksichtigt werden sollen. So einfach das klingt, so kompliziert ist das in der Praxis.
Der EU-Gesetzestext, auf dem die Abfragepflicht basiert, umfasst gerade einmal 133 Wörter. Der vom WKO-Fachverband Finanzdienstleister erstellte Leitfaden, der Finanzberater beim Umsetzen in die Praxis unterstützt, umfasst 26 Seiten. Den resultierenden zehn- bis zwölfseitigen Fragebogen müssen nachhaltig orientierte Anleger mit ihrem Berater minutiös abarbeiten.
Dass diese Abfrage sehr komplex und umfangreich ist und Kunden die Thematik oft nicht verstehen, hat auch bereits die Finanzmarktaufsicht festgestellt. Gut gemeint ist eben nicht immer gut gemacht.
Nachhaltigkeit führt Schattendasein
Die Ergebnisse der AK-Studie deuten darauf hin, dass eine „fundierte nachhaltigkeitsorientierte Beratung zu Finanzprodukten eher zufällig passiert“. 60 % der besuchten Finanzdienstleister führten die gesetzlich vorgeschriebene Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen formal durch. Jedoch sprachen 9 von 10 Beratern das Thema Nachhaltigkeit nicht aktiv an. Als Gründe dafür erkennt die AK Wien unter anderem generelle Ablehnung der Finanzberater gegenüber nachhaltigen Investments, oder deren nur sehr oberflächliche Behandlung.
Jeder fünfte Berater riet von nachhaltigen Fonds ab. Als Hauptargumente dafür wurden schlechtere Performance sowie zu kurze historische Wertentwicklungen, die eine fundierte Rendite/Risiko-Bewertung erschweren, angeführt. Auch die Tatsache, dass die EU-Taxonomie noch nicht ausgereift ist, diente als Begründung.
Das österreichische Umweltzeichen für nachhaltige Finanzprodukte kam in den Beratungsgesprächen praktisch nicht vor. Die Verpflichtung, dieses oder andere Gütesiegel zu kennen oder anzusprechen, besteht für Finanzberater jedoch nicht. Deren Bekanntheit und Relevanz in der Anlageberatung zu steigern obliegt einzig den jeweiligen Anbietern.
Probleme in der Praxis
Die AK Wien erkennt eine Reihe von Herausforderungen. Neben der unvollständigen EU-Taxonomie sind dies fehlende Standards für Nachhaltigkeitskriterien von Finanzprodukten, Komplexität der Produktanalyse, intransparente Produktzusammensetzung und unzureichendes Produktangebot.