Investments in Waffen könnten bald als nachhaltig gelten
Nachhaltige Finanzprodukte verfolgen eine Anlagestrategie, die (idealerweise nachweisbaren) Nutzen für Klima, Umwelt und Gesellschaft erzielen soll, und schließen dabei bestimmte Wirtschaftsbereiche kategorisch aus. Verpönte Investments sind unter anderem solche in Nuklearenergie, fossile Brennstoffe sowie Waffen und Rüstung. Trägt ein nachhaltiges Finanzprodukt, beispielsweise ein „grüner“ Investmentfonds, das Österreichische Umweltzeichen, müssen Investitionen in Hersteller konventioneller und kontroversieller Waffen ausgeschlossen werden.
Nach Atomstrom und Gas jetzt auch Waffen?
Wie situationselastisch die Kriterien für nachhaltige Investitionen auf EU-Ebene ausgelegt werden, zeigt sich daran, dass im Rahmen der EU-Taxonomie auch Atomstrom und Erdgas unter bestimmten Voraussetzungen als nachhaltig gelten können. Andauernde Konflikte auf europäischem Boden, globale geopolitische Krisenherde und der damit einhergehende Bedarf an Rüstungs- und Verteidigungsgütern lassen nun eine neue kontroverse Diskussion aufkeimen: Sollen Investments in Waffen, Panzer & Co. als nachhaltig eingestuft werden?
Sogar der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. erkennt bei dieser Frage ein grundsätzliches Problem, und spricht in einem Forderungspapier an die deutsche Bundesregierung von „schwieriger Vereinbarkeit“. Einerseits versuche die Rüstungsindustrie im Sinne der Nachhaltigkeit Umwelteinflüsse und das Nutzen problematischer Rohstoffe zu minimieren. Andererseits müsse die „Verteidigungsfähigkeit, die Sicherheit der Einsatzkräfte und die Effektivität der Produkte immer im Vordergrund stehen“.
Kapitalbedarf der Rüstungsindustrie
Viele Jahre lang holten die Armeen ihre Militärfahrzeuge und -flugzeuge, Raketenabwehrsysteme und Schusswaffen nur zu Übungszwecken aus Garage, dem Hangar oder Spind. Verluste und Verbrauch waren gering, Bündnispartner und Nachbarstaaten mussten nicht mit Kriegsmaterial unterstützt werden. Seit Beginn des Ukraine-Konflikts im Februar 2022 sind die Militärausgaben jedoch massiv gestiegen, jene der NATO-Staaten befinden sich Berichten zufolge sogar auf einem Allzeithoch.
Bereits am 15. Februar 2022 (also noch vor Beginn des Ukraine-Konflikts) betonte die EU-Kommission in einer Mitteilung über die europäische Verteidigung, dass im Rahmen der Initiativen für eine nachhaltige Finanzierung auch die europäische Verteidigungsindustrie ausreichenden Zugang zu Finanzmitteln und Investitionen benötigt.
Im Dezember 2022 (also nach Monaten des Ukraine-Konflikts) anerkennt die Kommission die Notwendigkeit, dass insbesondere die Verteidigungsindustrie, die zur Sicherheit der europäischen Bürger beiträgt, ihren Zugang zu Finanzmitteln und Investitionen auch aus dem privaten Sektor sicherstellen muss.
Akzeptanz der Investoren
Erste (deutsche) Vertreter der Finanzbranche drängen darauf, dass nachhaltige Fonds auch in die Rüstungsindustrie investieren dürfen, wobei völkerrechtlich geächtete Waffen, wie Streubomben, Atomwaffen oder Landminen, auch weiterhin ausgeschlossen bleiben sollen. Selbst wenn die EU hier politisch zustimmt, werden viele Anleger – nicht nur nachhaltig orientierte – wohl dabeibleiben, dass Kriegsgüter aller Art nicht mit Nachhaltigkeit vereinbar sind. Zu groß sind das verursachte Leid der Soldaten und vertriebenen Menschen sowie die enormen Schadstoffemissionen, die kriegerische Handlungen und der Wiederaufbau verursachen.
Dieser Beitrag ist erstmals im Börsen-Kurier Nr. 49 vom 5. Dezember 2024 erschienen.