
Tschechische Republik schert aus und sagt „No“
Ende August 2024 beglückte die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA die Fondsbranche mit den „Leitlinien zu Fondsnamen, die ESG- oder nachhaltigkeitsbezogene Begriffe verwenden“. Solche Fonds müssen, einfach gesagt, immer zu mindestens 80 % EU-konform nachhaltig investiert sein. Für neue Fonds gilt die Leitlinie bereits seit 21. November 2024, bestehende Fonds müssen sich bis 21. Mai 2025 entscheiden, ob sie grüne Begriffe in Namen entfernen, oder die strengen Vorschriften erfüllen.
Bemerkenswerter Alleingang
Die ESMA schließt mit dieser Leitlinie eine Lücke in der EU-Offenlegungsverordnung SFDR. Diese definiert zwar „hellgrüne“ (Artikel 8) und „dunkelgrüne“ (Artikel 9) Fonds, legt aber keine Schwellenwerte für nachhaltige Mindestinvestments fest. Folglich entstanden beispielsweise Artikel 9-Fonds, die gerade einmal zu 1 % Taxonomie-konform investierten. Das betrachtet die ESMA – trotz gesetzeskonformer Fondsgestaltung – als Greenwashing und hat in einem bemerkenswerten Alleingang die Bestimmungen der SFDR eigenmächtig verschärft. Die europäische Bankenaufsicht EBA und Versicherungsaufsicht EIOPA zogen bis heute nicht mit.
Nationale Aufsichtsbehörden „compliant“, außer …
Am 19. März 2025 veröffentlichte die ESMA die Liste jener nationalen Aufsichtsbehörden, die sich hinsichtlich der Leitlinie für „compliant“ erklären, also bekanntgeben, dass sie die Bestimmungen der Leitlinie in ihre nationale Aufsichtspraxis übernehmen oder beabsichtigen zu übernehmen. Dies tun alle Aufsichtsbehörden in den EU-Mitgliedstaaten wie etwa Österreich, Frankreich, Deutschland, Irland und Luxemburg. Einzig die Tschechische Republik schert aus und sagt „No“.

„Die Tschechische Nationalbank hält sich nicht an die Leitlinien, da die bestehende Rechtsordnung (Anm.: SFDR) keine ausreichende Rechtsgrundlage bietet, um von Fondsmanagern zu verlangen, dass sie die in den Leitlinien festgelegten zahlenmäßigen Schwellenwerte (…) einhalten (…)“, weisen die Tschechen die ESMA in die Schranken.
Berechtigte Kritik
Zwischen den Zeilen lässt sich berechtigte Kritik am Vorgehen bzw. der Leitlinie der ESMA herauslesen. Es ist aus juristischer Sicht nämlich fraglich, ob es überhaupt in den Kompetenzbereich der ESMA fällt, Rechtsakte des europäischen Gesetzgebers zu adaptieren. Die Kernaufgabe einer Aufsichtsbehörde ist, wie der Name schon sagt, das Beaufsichtigen der Einhaltung von Regelwerken und nicht das Verschärfen oder Schließen von gesetzlichen Lücken. Und einzig die Tschechen trauen sich, der ESMA das ins Stammbuch zu schreiben. Chapeau!
