Green Finance: Vom Wunschdenken zur marginalen Wirkung

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Die Ergebnisse der am 12. November zu Ende gegangenen Weltklimakonferenz im schottischen Glasgow bleiben, einmal mehr, hinter den Erwartungen zurück. Das gibt auch niemand geringerer als EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen offen zu. Ein Hoffnungsschimmer, der deutlich mehr zur Rettung des Weltklimas beitragen soll und auf den insbesondere die EU-Kommission setzt, ist der europäische Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums. Diesem Aktionsplan bescheinigt eine aktuelle Studie des Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung (Sustainable Architecture for Finance in Europe SAFE) jedoch nur marginale Wirkung.

Die Autoren der Studie (Jan Pieter Krahnen, Goethe Universität Frankfurt und wissenschaftlicher Direktor von SAFE, Jörg Rocholl, European School of Management and Technology ESMT, Berlin, und Marcel Thum, Technische Universität Dresden and ifo Institut Dresden) beleuchten kritisch einige Aspekte der, aus ihrer Sicht, naiven Interpretation von „grünen“ Finanzprodukten und -strategien. Dabei konzentrieren sie sich unter anderem auf die Rolle der Taxonomie und dem Verhalten von Investoren.

Angesichts der Bedeutung des Kampfes gegen den Klimawandel sollten wirtschaftliche Beiträge, wie das Investment in „grüne“ Finanzprodukte, sinnvoll sein und das Ziel der Nachhaltigkeit bestmöglich unterstützen. Ein Großteil der Nachhaltigkeitsversprechen von Fondsmanagern entpuppt sich, laut den Studienautoren, aber als billiges Gerede, das, wenn überhaupt, nur geringe Auswirkungen auf die Realwirtschaft hat. Sie ziehen den Schluss, dass die derzeitigen Strategien und Maßnahmen zur grünen Finanzierung weitgehend Wunschdenken sind.

„Grüne“ Anlagegelder haben kein Mascherl

Eines von drei Elementen des Wunschdenken ist der fehlende kausale Zusammenhang zwischen Finanzierung und tatsächlicher Investition. Anleger, die einem Unternehmen Gelder für propagierte grüne Investitionen zur Verfügung stellen, glauben zu wissen, wie und wofür das „grüne“ Geld ausgegeben wird. Mit grünem Vorsatz investiertes Geld hat jedoch kein Mascherl. Grundsätzlich fließen, vereinfacht gesagt, alle Finanzierungs- und Einnahmequellen eines Unternehmens zusammen und decken gemeinsam Investitionen und Ausgaben ab. Eine exakte Zuordnung von „grünen“ Anlage-Euros zu „grünen“ Investitionen ist nicht möglich.

Die fehlende kausale Beziehung zwischen grüner Finanzierung und tatsächlicher Ökologisierung eines Unternehmens wird durch globale Wertschöpfungsketten und gesellschaftliche Ziele (wie zum Beispiel faire Entlohnung, Vermeidung von Kinderarbeit, Gender Diversity) noch komplexer. „Vor diesem Hintergrund kann der Begriff „grüne Finanzierung“, wie er heute von den Unternehmen und auf den Kapitalmärkten häufig verwendet wird, leicht in die Irre führen“, stellen die Studienautoren fest.

Daraus ergibt sich eine der zehn Schlussforlderungen der Studie: Die Schwierigkeit, klare Zusammenhänge zwischen Mittelherkunft und Mittelverwendung herzustellen, insbesondere bei größeren Unternehmen oder öffentlichen Haushalten, stellt den Nutzen einer ESG-orientierten Finanzierung in Frage.

Taxonomie-Strategie der Europäischen Kommission

Die Taxonomie der EU-Kommission versucht, Produkte nach ihrer Erfüllung von ESG-Zielen zu klassifizieren. Allerdings gibt es noch kein umfassendes Messsystem für umwelt-, gesellschafts- und governancebezogene Kriterien. Einige Kritiker befürchten, dass eine mehrdimensionale Klassifizierung aller Produktionsprozesse entlang der Wertschöpfungskette zu einem „bürokratischen Monster“ werden könnte, das vor allem für kleine oder mittlere Unternehmen schädlich ist, die große Schwierigkeiten haben könnten, alle ihre (vielleicht sogar einmaligen oder gelegentlichen) Lieferanten zu überwachen.

Um die Auswirkungen einer ESG-orientierten Finanzierung verlässlich zu bestimmen, wären die umfassende, detaillierte und sehr kostspielige Erfassung von realen wirtschaftlichen Aktivitäten über die gesamte Wertschöpfungskette von Unternehmen notwendig. Eine solche Taxonomie birgt das Risiko, sehr komplex und übermäßig kostspielig zu sein.

Wenn grüne Finanzierungen über buchhalterische Tricks hinausgehen und tatsächlich zu einer Veränderung des Produktionsprozesses führen, kann das Handeln der Investoren als privater Beitrag zu einem öffentlichen Gut angesehen werden. Leider gibt es keine Garantie dafür, dass mehr grüne Investoren die Wirtschaft wirklich grüner machen würden.


Quellen:
SAFE White Paper No. 87, „A primer on green finance: From wishful thinking to marginal impact“, Oktober 2021
ORT.at, www.ort.at, „Düstere Bilanz mit Hoffnungsschimmer“, abgerufen am 23. November 2021