Endlich sind die RTS zur Offenlegungs-Verordnung da!
Am 25. Juli 2022 wurden die technischen Regulierungsstandards RTS zur EU-Offenlegungs-Verordnung im Amtsblatt der Europäischen Union als Delegierte Verordnung (EU) 2022/1288* veröffentlicht. Sie traten am 14. August 2022 in Kraft und sind ab dem 1. Januar 2023 anzuwenden.
* Delegierte Verordnung (EU) 2022/1288 vom 6. April 2022 zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2019/2088 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards zur Festlegung der Einzelheiten des Inhalts und der Darstellung von Informationen in Zusammenhang mit dem Grundsatz der Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen, des Inhalts, der Methoden und der Darstellung von Informationen in Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsindikatoren und nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen sowie des Inhalts und der Darstellung von Informationen in Zusammenhang mit der Bewerbung ökologischer oder sozialer Merkmale und nachhaltiger Investitionsziele in vorvertraglichen Dokumenten, auf Internetseiten und in regelmäßigen Berichten (Originaltitel)
Die lange Zeit nur als Entwurf verfügbaren technischen Regulierungsstandards – die die Finanzindustrie eigentlich schon ab Anwendung der Offenlegungs-Verordnung seit 10. März 2021 benötigen würde – legen ähnlich wortreich wie der sperrige Titel den konkreten Inhalt, die zu verwendende Methodik und die Art der Darstellung der offenzulegenden Informationen fest.
Aufsichtsbehörden, wie zum Beispiel die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin, sehen in den RTS einen wichtigen Meilenstein erreicht, durch den die Qualität und die Vergleichbarkeit der offenzulegenden Informationen verbessert werden soll. Verbessern bedeutet in der Praxis ausweiten, also noch mehr Informationen zusätzlich zu jenen, die heute schon kaum ein Anleger liest und versteht.
Für Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater stellen die RTS ein weiteres Regelwerk dar, das aufgrund der lückenhaften Regularien für zusätzliche aufsichts- und zivilrechtliche Risiken sorgt. Viele von den RTS sowie in den Anhängen geforderten Detailinformationen sind derzeit nicht ermittelbar, weil beispielsweise die notwendigen Unternehmensdaten, wie die Treibhausgas-Emissionen nach Scope 1, 2 und 3, erst in einigen Jahren (2025?) mit Anwendung der neuen Nachhaltigkeitsberichterstattung CSRD zur Verfügung stehen werden.
Aufsichtsbehörden setzten Arbeit an den RTS fort
Wer glaubt, dass die technischen Regulierungsstandards mit der Veröffentlichung der Delegierten Verordnung (EU) 2022/1288 zwar viel zu spät, aber doch endlich fertig sind, der irrt. „Die konkretisierende Regulierung zur Offenlegungsverordnung ist damit aber nicht abgeschlossen.“, schreibt die BaFin auf ihrer Internetseite. Kaum veröffentlicht, werden die RTS schon überarbeitet.
Denn die Europäische Kommission will die Transparenz beim Thema Nachhaltigkeit auf dem Finanzmarkt noch weiter ausbauen. Sie hat daher die Europäischen Aufsichtsbehörden ESAs aufgefordert, der Europäischen Kommission Vorschläge zu unterbreiten, wie die RTS überarbeitet werden können:
- Bis spätestens zum 30. September 2022 sollen die ESAs Ergänzungen zu den RTS vorschlagen, die den so genannten Complementary Climate Delegated Act (CDA) – Stichwort nachhaltige Kernenergie- und Gasaktivitäten – berücksichtigen.
- Innerhalb von zwölf Monaten nach Mandatserteilung, sprich bis April 2023, sollen die ESAs die Indikatoren für die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen PAI (Principal Adverse Impact) und die produktbezogenen Offenlegungspflichten überarbeiten.
Korrekturbedürftige deutsche Sprachfassung
Die BaFin weist übrigens auch darauf hin, dass einige Anhänge der veröffentlichten deutschen Sprachfassung „redaktionelle Versehen“ enthalten. Bei der Übersetzung ins Deutsche dürfte also auch einiges schief gegangen sein. Bis zur offiziellen Korrektur empfiehlt die BaFin, auf den korrekten Entwurf der Europäischen Kommission zurückzugreifen, den diese am 6. April 2022 veröffentlicht hatte.
Fürwahr eine legistische Glanzleistung. Erst kommen die RTS mit fast zwei Jahren Verspätung, dann muss die veröffentlichte Version gleich überarbeitet werden, und weil die Übersetzung mangelhaft ist, rät eine namhafte Aufsichtsbehörde, doch lieber den Entwurf als die finale Fassung heranzuziehen.
Vielleicht wäre sowohl der Legistik als auch dem Erreichen der nachhaltigen Ziele mehr gedient, wenn die EU-Kommission nicht hektisch von Verordnung zu Verordnung stolpert. Speed kills, sagt man, und das zeigt sich gerade am Beispiel des Green Deal viel zu oft.
Download Delegierte Verordnung (EU) 2022/1288 (externer Link zu eur-lex.europa.eu)