Europäische Verbotspolitik auf dem Vormarsch
Eine zentrale Aufgabe der Politik ist es, wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen und Anreize zu schaffen, um Innovationen zu fördern. Stattdessen setzt die EU vermehrt auf strikte, auch ideologiegetriebene Verbote. Aktuelles Beispiel ist das geplante und zwischenzeitlich von einigen EU-Mitgliedstaaten, allen voran Deutschland, blockierte Verbot für Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035. An dieses Vorhaben reihen sich weitere, bereits geltende und geplante Verbote. Hat die EU keine besseren Antworten auf aktuelle und zukünftige Herausforderungen mehr?
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) meinte in einer Rede, dass ein Verbot für Autos mit Verbrennungsmotor keine Antwort auf die Klimakrise sei. „Ideologisches Festhalten am Verbrenner und ein bisschen Technologie werden das Klima nicht retten.“, kommentierte dies Österreichs Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne). Eine forsche Ansage der ehemaligen Geschäftsführerin der Umweltorganisation Global 2000, denn auch die mantraartige Beschwörung des Elektroautos ist alles andere als frei von Ideologie.
Geht es der EU tatsächlich um das Reduzieren von CO2-Emissionen? Wenn ja, dann würde sie doch nicht nur eine Technologie, den Verbrennungsmotor, in einer einzelnen Fahrzeugkategorie, den PKWs, verbieten. Konsequenter Weise müsste die EU stattdessen alle fossilen Treibstoffe, von Benzin über Diesel und Schweröl bis Kerosin, in allen Verkehrsmitteln, PKW, LKW, Omnibusse, Schiffe und Flugzeuge, verbieten. Der isolierte Streit über das Verbrenner-Aus nur in PKWs erweckt den Eindruck einer ideologischen Scheindebatte
Zumal die Diskussion auf dem Rücken einer der letzten Technologien geführt wird, in der europäische Unternehmen Weltmarktführer sind. PKW-Hersteller scheinen sich aber dennoch dem Wunsch der EU zu beugen. Ihnen ist egal, ob sie Autos mit Verbrennungsmotor oder Elektro-Antrieb verkaufen. Hauptsache, es werden weiterhin Millionen Autos verkauft. Auch das ist nicht die Lösung für die klimafreundliche Mobilität der Zukunft.
Im Zuge der Elektroauto-Debatte hat auch noch kein Politiker eine Idee geäußert, wie die durch das Verbrenner-Aus entfallenden Steuereinnahmen (in Österreich Normverbrauchsabgabe, motorbezogene Versicherungssteuer und Mineralölsteuer) kompensiert werden sollen. Wir sprechen dabei alleine in Österreich von mehreren Milliarden Euro pro Jahr, die unter anderem die Kaufprämien für Elektroautos sowie die Straßen, auf denen auch Elektroautos fahren, finanzieren.
Gute Technologien setzen sich ohne Verbot durch
Historisch betrachtet haben sich innovative Technologien stets durchgesetzt, weil sie besser, schneller, sparsamer, zuverlässiger, bequemer, usw. waren als ihre jeweiligen Vorläufer.
- Pferdekutschen mussten nicht erst verboten werden, um dem Automobil zum Durchbruch zu verhelfen.
- Obwohl es in den Anfängen viele prominente Stimmen gab, die keinen Bedarf sahen, hielten Computer Einzug in so gut wie jeden Haushalt. Auch ohne Verbot nutzt heute niemand mehr Rechenschieber und mechanische Schreibmaschinen.
- Kompakt-Tonbandkassetten und Kassettenrecorder wurden ganz ohne Verbot zuerst von Audio-CDs und dann von Streamingdiensten abgelöst, genauso erging es den VHS-Videokassetten und der Übergangstechnologie Bildplatte.
- Festnetztelefone mit Wählscheibe sind verschwunden, Pager und Piepser haben sich auf Dauer nicht durchgesetzt, Telefonzellen sind zur Rarität geworden. Mobiltelefone und Smartphones sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Mit den Festnetztelefonen verschwanden auch die dicken Telefonbücher ohne Verbot.
- Jugendliche spielen heutzutage auf leistungsstarken Rechnern online und global vernetzt, und nicht mehr alleine und monochrom mit Tricotronic und Gameboy.
- Meterlange Enzyklopädien in goldgeprägten Ledereinbänden, die früher das Schmuckstück jeder Bibliothek waren, sind vom allwissenden World Wide Web abgelöst worden.
Diese Aufzählung ließe sich noch endlos lange fortsetzen. Speichern Sie Daten noch auf Floppy-Disketten mit 360 Kilobyte Speichervermögen? Steht bei Ihnen im Wohnzimmer noch ein Fernsehgerät mit Kathodenstrahlröhre, oder ein Flat-TV? Versenden Sie noch Postkarten und Telegramme, oder schicken Sie Urlaubgrüße an Ihre Lieben zu Hause via Messenger-Dienst? Keine dieser Innovationen benötigte ein Verbot, um sich weltweit durchzusetzen.
Warum vertrauen wir, wenn das Elektroauto tatsächlich die weltrettende Technologie ist, nicht darauf, dass es sich ebenso durchsetzt wie vor gut hundert Jahren das Automobil gegen die Pferdekutsche? Ein gesetzliches Verbot für Verbrenner impliziert die Befürchtung, dass Elektromobilität vielleicht doch nicht der Retter des Weltklimas ist. Wäre sie das, warum versteifen sich nur die Europäer darauf? Wenn Elektromobilität tatsächlich der sprichwörtliche Stein der Weisen ist, dann müsste der EU doch die ganze Welt folgen, oder?
Ganz abgesehen von der Frage, ob das Schaffen von Alternativen nicht viel breitere Akzeptanz erzielen würde als Verbote. Ein funktionierendes, gesamteuropäisches Bahnnetz könnte beispielsweise ganz ohne Verbot dazu führen, dass generell weniger Autos – und weniger LKWs – auf Europas Straßen unterwegs sind. Aber an dieser heißen Kartoffel scheitert die EU seit Jahrzehnten. Das europäische Schienennetz ist und bleibt ein nationalstaatlicher Fleckerlteppich, der mit Flugzeug und Bahn nicht konkurrieren kann.
Koexistenz von Technologien
Die Praxis zeigt, dass viele althergebrachten Technologien nicht vollständig von Innovationen abgelöst werden. Oft kommt es im Alltag zu einer Koexistenz. eReader haben weder das gedruckte Buch noch die großformatige Tageszeitung verdrängt. Plastikgeld in Form von Bankomat- und Kreditkarten wird parallel zu Bargeld genutzt. Vernetzte Smarthome-Lösungen haben dem klassischen Zylinderschloss nicht den Garaus gemacht.
Eine ähnliche Koexistenz wird es unweigerlich zwischen Elektroautos und Diesel- bzw. Benzin-Stinkern geben, denn der vorhandene Fuhrpark – etwa 250 Millionen PKW alleine in der EU – genießt Bestandsschutz. Auch über das Jahr 2035 hinaus wird es also – mit und ohne Verbrenner-Verbot, in der EU und erst recht im Rest der Welt – noch viele, viele Jahre lang mit fossilen Kraftstoffen betriebene PKWs geben.
Verbotskultur im „grünen“ Fahrwasser
Das geplante Aus für Verbrenner reiht sich in eine Liste an ideologischen Verboten ein, die uns die EU unter dem Deckmantel des Grünen Deals präsentiert. Anhand dieser Verbote lässt sich demonstrieren, dass nicht jede politische Idee hält was sie versprochen hat. Denken wir nur an das Verbot der Glühbirne. Als Energiefresser verpönt sollten wir auf quecksilbergefüllte Energiesparlampen umsteigen. Mittlerweile hat sich aber die noch effizientere und langlebigere LED technisch durchgesetzt. Hatte die EU die LED-Technologie nicht am Radar? Das schürt die Frage, welche Alternativtechnologie die EU-Parlamentarier möglicherweise beim Verbrenner-Aus übersehen. Technologieoffenheit heißt das Zauberwort.
Während Sie mit dem Einkaufswagen durch den Supermarkt schlendern, begegnen Ihnen hunderte in Plastik verpackte Lebensmittel: Mineralwasser und Fruchtsäfte, Kartoffelchips und frisches Obst sowie Gemüse und Salat, Wurst und Käse, Milch und Joghurt, Toilettenpapier und Duschgel, und, und, und. Was Sie nicht mehr vorfinden, sind Wattestäbchen aus Plastik und Plastiksackerln an der Kassa.
Dieses auf ganz wenige Produkte beschränkte Plastikverbot ähnelt jenem für Autos mit Benzin- oder Dieselantrieb. Die EU beschränkt sich auf das Verbot eines kleinen Produktsegments, der große Rest bleibt unbehelligt. Reichen solche Alibimaßnahmen aus, um den Klimakollaps wirksam zu verhindern?
Aktuell forciert die EU ihr Bestreben, Greenwashing (in deutschsprachigen EU-Dokumenten neuerdings Grünfärberei genannt) zu verbieten. Nachhaltige und „grüne“ Begriffe sollen im Zusammenhang mit Waren und Dienstleistungen nur mehr verwendet werden dürfen, wenn damit nachweisbar eine hervorragende Umweltleistung verbunden ist. Überhaupt kein Thema ist in dieser laufenden Debatte der gesunde Hausverstand von Kunden und Konsumenten, der oftmals in der Lage ist, Greenwashing zu entlarven. Doch das scheint die EU der europäischen Bevölkerung nicht zuzutrauen. Also wird ein Verbot von Grünfärberei kommen.
Apropos Grünfärberei: Ausgerechnet jene EU-Parlamentarier, die uns Bürgern ökologische Visionen und Ziele am laufenden Band servieren, pendeln seit dem Jahr 1992 unaufhörlich zwischen Brüssel und Straßburg hin und her. Alle vier Wochen übersiedeln hunderte Abgeordnete und Mitarbeiter samt Aktenbergen von Brüssel nach Straßburg, und nach einem Monat wieder 400 Kilometer retour nach Brüssel. Über 100 Millionen Euro kostet uns dieser entbehrliche Luxus pro Jahr, gibt das EU-Parlament offen zu. Auf die Idee, diese sinnbefreite Pendelei zu beenden und die dabei anfallenden Schadstoff-Emissionen einzusparen, ist in der EU noch niemand gekommen?
Verbote wohin das Auge schaut
Der Datentransfer in die USA ist mangels gültigem Datenschutzabkommen verboten, damit auch etablierte Anwendungen wie Google Analytics und genau genommen das Cloud-basierte Microsoft Office 365. Ein neues Datenschutzabkommen mit den USA (noch dazu eines, dass vom Datenschutzjuristen Max Schrems nicht sofort erneut zu Fall gebracht wird) bringt die EU jedoch nicht zustande. Das nächste Verbot einer IT-Anwendung könnte der aus China stammenden Social Media-Plattform Tiktok blühen.
Ungerechtfertigtes Geoblocking, also die im Internet zum Einsatz kommende Technik zur regionalen Sperrung von Internetinhalten durch den Anbieter, ist verboten, um Diskriminierungen nach Staatsangehörigkeit, Wohnsitz oder Niederlassung zu verhindern. Warnungen, dass Krypto-Assets wie Bitcoin ein Treiber des Klimawandels sind, sorgten bei EU-Politikern ebenfalls schon für Unruhe. Die Idee, Bitcoin-Mining und den Handel mit Krypto-Währungen zu verbieten, stand in Brüssel bereits auf der Tagesordnung. Parallel dazu bastelt die EZB am (stromsparenderen?) „Krypto-Euro“.
Feuerzeuge ohne Kindersicherung sind schon lange nicht mehr erlaubt. Den Sicherheitsgedanken wollen wir lobend anerkennen, aber wie viele Fälle von Kleinkindern sind Ihnen bekannt, die sich selbst oder ihr Zuhause mit einem Wegwerf-Feuerzeug abgefackelt haben? Bitte nicht falsch verstehen, jeder einzelne Fall wäre einer zu viel, aber manchmal frage ich mich schon, mit welchen Detailproblemen sich die 32.000 EU-Beamten beschäftigen.
Momentan erfährt das Provisionsverbot für Finanzdienstleistungen (MiFID-Review: Provisionsverbot und Weiterbildung) wieder Rückenwind. Dabei zeigen Beispiele aus der Praxis, wie etwa aus Großbritannien, wo Provisionen seit Jahren verboten sind, welche nachteiligen Folgen das gerade für Kleinanleger hat. Wäre eine parallele Koexistenz von Provisions- und Honorarmodellen – und damit die Wahlmöglichkeit für Kunden – nicht die bessere Lösung? Was spricht dagegen, dass Anleger selbst entscheiden, welches Modell für sie das bessere ist?
Trübe Aussichten für die Zukunft
Der bevormundende Nanny-Staat ist auf politischer Ebene ebenso auf dem Vormarsch wie die zunehmende Verbotspolitik unter dem Deckmantel des Grünen Deals. Unserer Eigenverantwortung und unserem gesunden Hausverstand vertrauen Politiker augenscheinlich immer weniger. Ob die ideologiegetriebene Verbotspolitik der EU das Gesellschaftsmodell der Zukunft ist, darf bezweifelt werden. Ob „grüne“ Verbote das Weltklima retten, ebenfalls.
Dieser Beitrag ist erstmals im Nachrichtenmagazin risControl, Heft Nr. 04-2023 erschienen.