Belgischer Ratsvorsitz erzielte einen Kompromiss.
Groß war der Widerstand von Umweltorganisationen und Wirtschaft gegen die EU-Lieferketten-Richtlinie. Den einen ist sie zu zahnlos, den anderen zu bürokratisch. Letzteres, weil direkt und indirekt zehntausende Unternehmen aller Branchen und Größen betroffen sind. An der Spitze der Kritiker steht Deutschland, das drohte, sich bei der Abstimmung zu enthalten und damit die Einigung zu blockieren. Nun hat sich der EU-Rat unter belgischer Führung doch auf eine Kompromiss-Version der Corporate Sustainability Due Diligence Directive CSDDD geeinigt. Diesem müssen das EU-Parlament und die Kommission noch zustimmen.
Sorgfaltspflichten bleiben
Im Kern bleibt die EU-Lieferketten-Richtlinie unverändert. Europäische Unternehmen müssen in ihren globalen Lieferketten für das Einhalten von Menschenrechten und Umweltschutz sorgen. Klimaschutz wurde bereits in einer früheren Version gestrichen. Erkennen sie Mängel, besteht die Pflicht zu handeln. Letzte Konsequenz ist das Beenden der Geschäftsbeziehung. Genau das könnte oftmals der Fall sein, monieren Kritiker. Der Rückzug europäischer Unternehmen würde erst recht nicht zu mehr Menschenrechten und Umweltschutz in den Lieferketten führen.
Schwellenwerte massiv angehoben
Ursprünglich umfasst waren alle EU-Unternehmen mit über 500 Mitarbeitern und mehr als 150. Mio. € Umsatz. Diese Schwellenwerte wurden massiv angehoben. Zusätzlich sind für unterschiedliche Unternehmensgrößen gestaffelte Übergangszeiträume vorgesehen, beginnend mit drei Jahren für ganz große Unternehmen (über 5.000 Mitarbeiter, über 1.500 Mio. € Umsatz) bis fünf Jahren für große Betriebe (über 1.000 Mitarbeiter, über 450 Mio. € Umsatz). Diese Fristen gelten ab Veröffentlichung der CSDDD im Amtsblatt der EU – und nicht erst ab der nationalen Umsetzung.
Wertschöpfungskette uferlos
In der Praxis sind die erhöhten Schwellenwerte dennoch bedeutungslos. Die Definition der Wertschöpfungskette („chain of activities“) umfasst weiterhin eigene Lieferanten („upstream“) sowie belieferte Unternehmen („downstream“), noch dazu direkte und indirekte Vertragspartner, also auch jene, mit denen die Firma keinen (direkten) Vertrag hat.
Komplexitätsforscher Peter Klimek, Leiter des Lieferkettenforschungsinstitut ASCII, meint in der Presse, dass im Extremfall bis zu 900 Mio. Lieferbeziehungen zu überprüfen sind. Aufgrund dieses ausufernden Anwendungsbereiches werden auch kleinste, kleine und mittlere Betriebe, die große Unternehmen beliefern, betroffen sein. Bei immer mehr Betrieben stapeln sich schon die Fragebögen.
Sorgfaltspflichten weitreichend
Hinsichtlich negativer Auswirkungen auf Menschenrechte wird weiterhin auf eine lange Liste von internationalen völkerrechtlichen Übereinkommen verwiesen. Diese wenden sich ursprünglich als reine Absichtserklärungen an Staaten. Wie Unternehmen durchsetzen sollen, was die globale Staatengemeinschaft nicht schafft, lässt die CSDDD unbeantwortet. Beim Umweltschutz gilt es zahlreichen negative Umwelteinflüsse zu verhindern oder zu minimieren, unter anderem gesetzeswidrigen Umgang mit Müll. Bei Verstößen drohen weiterhin Strafen von bis zu 5 % des weltweiten Umsatzes.
Viel Aufwand, wenig Wirkung
Die EU-Lieferkettenrichtlinie wird zu erheblichem bürokratischem Mehraufwand führen. Die Frage ist, ob damit das eigentliche Ziel – mehr Menschenrechte und Umweltschutz in den Lieferketten – erreicht wird. Kritiker sagen ganz klar nein.
Dieser Beitrag ist erstmal im Börsen-Kurier Nr. 14 vom 4. April 2024 erschienen.