Schritt für Schritt zur Wesentlichkeitsanalyse
Eine Wesentlichkeitsanalyse ist keine Raketenwissenschaft. Aber strukturiertes Vorgehen ist jedenfalls empfehlenswert, um den Überblick zu bewahren und das nachhaltige Ziel im Auge zu behalten.
Schritt 1: Zweck und Umfang definieren
Sinnvoll ist, sich am Beginn zu überlegen, wer die Zielgruppe der Analyse bzw. deren Ergebnisse ist. Erstellen Sie die Wesentlichkeitsanalyse rein auf freiwilliger Basis, oder müssen Sie beispielsweise einem großen (berichtspflichtigen) B2B-Kunden Daten liefern?
Legen Sie den angemessenen Umfang bzw. die wesentlichen Themen ihrer Wesentlichkeitsanalyse fest. Als kleines Unternehmen oder KMU muss ihre Analyse nicht so umfassend sein wie jene eines globalen Weltkonzerns. Entscheidende Kriterien können unter anderem sein: ihre Geschäftstätigkeit (Produktion oder Dienstleistung?), die Anzahl der Mitarbeiter:innen und Unternehmensstandorte, die regionale Verteilung ihrer Kund:innen und die Größe ihres Fuhrparks.
Schritt 2: Stakeholder identifizieren
Einen normierten Ablauf der Wesentlichkeitsanalyse gibt es nicht. Aus diversen Standards, wie beispielsweise jenem der Global Reporting Initiative GRI, lässt sich jedoch ein schrittweiser Prozess ableiten.
Um Stakeholder (deutsch: Interessen- oder Anspruchsgruppen) befragen zu können, müssen diese zuerst identifiziert werden. Daher steht am Beginn einer Wesentlichkeitsanalyse das Identifizieren aller und anschließend das Herausfiltern der relevanten Stakeholder.
In der Praxis werden die verschiedenen Stakeholder gruppiert, um Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen Gruppen erkennen zu können. Unterschieden wird zudem zwischen internen und externen Stakeholdern.
Möglich ist etwa die Einteilung in folgende Bereiche:
- Interne Stakeholder: Mitarbeiter:innen, Unternehmensleitung (Geschäftsführer:innen, Vorstände), Aufsichtsrat, Betriebsrat, Eigentümer
- Externe Stakeholder:
Wirtschaft: Kund:innen, Interessent:innne, Lieferanten, Mitbewerber, Investoren, Banken, Versicherungen
Gesellschaft: Konsument:innen, Politik, Presse & Medien, Behörden, Kommunen, Nachbarn & Anrainer, Öffentlichkeit
Anwaltsgruppen: NPOs, NGOs, Interessenvertretungen, Verbraucherschutzverbände
Schritt 3: Stakeholder nach Relevanz bewerten
Während interne Stakeholder grundsätzlich relevant sind, wird die Relevanz unter den externen Stakeholder in der Regel unterschiedlich sein. Für jede der einzelnen Stakeholder-Gruppen sollte daher – zum Beispiel im Rahmen eines Workshops – die jeweilige Relevanz festgelegt werden. Denn nicht jede Gruppe ist für das Unternehmen gleich wichtig bzw. gleichermaßen von dessen Entscheidungen betroffen.
Wichtig bei dieser Priorisierung ist, dass Mitarbeiter:innen verschiedener Geschäftsbereich bzw. Abteilungen im Unternehmen daran teilnehmen. Nur so ergibt sich ein wahrheitsgetreues bzw. objektives Bild. Eine Kategorisierung in 1 = gering, 2 = mittel und 3 = hoch ist dabei vollkommen ausreichend.
Für das Bewerten der Relevanz stellen wir uns zwei simple Fragen:
- Wie groß ist der Einfluss, den die jeweilige Stakeholder-Gruppe auf das Unternehmen bzw. auf das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele hat?
- Wie groß ist der Einfluss, den die Geschäftstätigkeit sowie die nachhaltigen Maßnahmen auf die jeweilige Stakeholder-Gruppe haben?
Schritt 4: Relevante Themen festlegen
Im nächsten Schritt werden die relevanten Themen für die Befragung der Stakeholder im Rahmen der Wesentlichkeitsanalyse festgelegt. Neben Themen, die heutzutage generell für Unternehmen und dessen Stakeholder relevant sind – wie etwa betriebswirtschaftliche Gesundheit, Attraktivität als Arbeitgeber und klimaschonende Mobilität – sind das Themen, die sich direkt aus der Geschäftstätigkeit ergeben.
Oftmals sind auch regulatorische Themen relevant. Als „Brainstorming“ für branchenspezifische Themen bieten sich die Wesentlichkeitsanalysen und/oder Nachhaltigkeitsberichte bekannter Unternehmen aus derselben Branche an.
Ebenso wie die Stakeholder-Gruppen können die relevanten Themen gruppiert werden, zum Beispiel in Anlehnung an die ESG-Ziele:
- Unternehmensführung (Ökonomie, Governance, Wirtschaft): Ökonomische Fitness, Qualitätssicherung, Innovationsstärke, Fairer Wettbewerb
- Gesellschaft (Stakeholder): Attraktiver Arbeitgeber, Aus- und Weiterbildung, Flexible Arbeitszeitmodelle, Diversität & Chancengleichheit
- Umwelt & Klima (Ökologie): Energieeffizienz, Ressourceneffizienz, klimaschonende Mobilität, Abfallvermeidung
Darüber hinaus können allgemeine Themen relevant sein, wie zum Beispiel soziales Engagement, Vorbildrolle und Datenschutz.
Beim Sustainable Consulting steht die Ökonomie an erster Stelle. Aus ESG wird GSE. Warum?
Das können Sie im Beitrag „Ohne Ökonomie keine Ökologie“ nachlesen!
Schritt 5: Stakeholder befragen
Die in 3. Schritt festgelegten Themen beeinflussen die Art und Weise der Kontaktaufnahme und Befragung der relevanten Stakeholder. Es bieten sich beispielsweise Workshops, Umfragen, Online-Befragungen, Interviews bzw. persönliche Gespräche an.
Selbst wenn Unternehmen bzw. deren Führungskräfte der Meinung sind, dass sie gerade hinsichtlich der internen Stakeholder viele Einschätzungen ohnehin kennen, fördert ein Workshop mit den Mitarbeiter:innen oftmals überraschende, neue Erkenntnisse zu Tage.
Um insbesondere externe Stakeholder zur möglichst regen Teilnahme an der Befragung zu motivieren, setzen Unternehmen (mehr oder weniger) attraktive Anreize. Erinnerungen per E-Mail verfehlen oft ihre Wirkung, „Goodies“, wie zum Beispiel Rabatt-Gutscheine für den nächsten Einkauf, sind deutlich wirksamer.
Auch an das „grüne“ Gewissen kann appelliert werden. Beispielsweise mit der Zusage, dass für jeden retournierten Fragebogen ein kleiner Geldbetrag an ein soziales Projekt gespendet werden, oder ein Baum gepflanzt wird. Solche Aktionen sind gleichzeitig nachhaltige Maßnahmen, und können im Marketing genutzt werden.
Es darf sich dabei aber nicht um Greenwashing handeln. Die versprochenen Maßnahmen müssen tatsächlich und nacheisbar umgesetzt werden.
Schritt 6: Ergebnisse auswerten
Auswerten lassen sich die Ergebnisse so einer Wesentlichkeitsanalyse mit einer Wesentlichkeitsmatrix. Mit ihrer Hilfe lassen sich die Antworten der Stakeholder anschaulich darstellen und in Bezug zur Relevanz für das Unternehmen bzw. dessen nachhaltigen Maßnahmen setzen.
Horizontal wird die Wirksamkeit (Relevanz) für das Unternehmen aufgetragen, senkrecht die Relevanz für die befragten Stakeholder. Im linken, unteren Quadranten finden sich jene Themen, die weder für die Stakeholder noch für das Unternehmen besonders relevant sind. Rechts ober hingeben sammeln sich die sowohl für die Stakeholder als auch für das Unternehmen relevanten Themen.
Die grafische Darstellung zeigt die Relevanz der einzelnen Handlungsfelder zueinander übersichtlich auf. Daraus lassen sich konkrete Ziele und nachhaltige Maßnahmen für das Unternehmen ableiten.
Aus der Wesentlichkeitsmatrix lassen sich auch Diskrepanzen herauslesen, wenn sich beispielsweise Themen weit links oben (hohe Relevanz für Stakeholder, aber nur geringe Relevanz für das Unternehmen) oder weit rechts unten wiederfinden. In solchen Fällen ist eine themenbezogene Analyse empfehlenswert.
Schritt 7: Maßnahmen definieren
Nachhaltige Maßnahmen, die auf Basis der Ergebnisse einer Wesentlichkeitsanalyse festgelegt werden, sollen stets Bezug zur Geschäftstätigkeit des Unternehmens haben.
Beim Festlegen von Maßnahmen gilt es stets deren Wirksamkeit für das Unternehmen, Gesellschaft sowie Klima und Umwelt im Auge zu haben. Nachhaltige Maßnahmen tragen nur dann zum Erreichen der ESG-Ziele bei, wenn sie wirksam sind.
Ebenso wichtig wie die Wirksamkeit ist die Angemessenheit der nachhaltigen Maßnahmen. Sie sollen realistisch sein, die mit ihnen Hand in Hand gehenden Ziele müssen erreichbar sein (nicht zu einfach, aber auch nicht vollkommen unmöglich). Sind finanzielle Ressourcen erforderlich, müssen diese leistbar sein und budgetiert werden.
Um den Fortschritt feststellen zu können, sollen nachhaltige Maßnahmen anhand individueller Kriterien messbar sein.
Nachhaltigkeit ist Teamarbeit. Am Umsetzen der nachhaltigen Maßnahmen im Geschäftsalltag sollen sich möglichst viele Mitarbeiter:innen bzw. Stakeholder beteiligen. Nebenbei wird dadurch das Gemeinschaftsgefühl – neudeutsch: der Team-Spirit – gestärkt. Ziele werden durch das Mitwirken vieler Stakeholder schneller erreicht.
Mit dem Sustainable Consulting unterstütze ich Sie beim Erstellen Ihrer individuellen Wesentlichkeitsanalyse.