Stimmen, die eine Abkehr vom Verbot fordern, mehren sich.
Eigentlich ist das EU-weite Aus für Verbrennungsmotoren in neuen Personenkraftwagen ab dem 1. Januar 2025 beschlossene Sache. Die entsprechende EU-Verordnung ist – „im Einklang mit den ehrgeizigen Klimazielen der Union“ – seit Mai 2023 in Kraft. Das Verbot sei ein wichtiger Schritt in Richtung Null-Emission-Mobilität, freute sich der damalige EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans.
Die Zukunft gehört aus Sicht der EU-Kommission den Elektro-Autos. Dennoch hat sie zeitgleich mit dem Verbot – sozusagen als Hintertürchen, um die Kritiker zu besänftigen – festgelegt, dass es im Jahr 2026 auf seine Wirksamkeit hin überprüft wird. Wirklich in Beton gemeißelt ist das Verbrenner-Aus also noch nicht. Auch die etwa 250 Mio. PKW mit Benzin- und Dieselmotoren, die derzeit auf Europas Straßen unterwegs sind, genießen Bestandsschutz und dürfen (wie alle bis 2034 neu zugelassenen Verbrenner-PKW) über das Jahr 2035 hinaus betrieben werden.
Zuspruch der Käufer schwindet
Jahrzehntelang setzte die Autoindustrie auf Verbrennungsmotoren. Der Erfolg gibt ihnen grundsätzlich Recht. Mit ihren Benzin- und Dieselmotoren gelten europäische Hersteller als Weltmarktführer. Den Trend zum Elektro-Auto, vor allem zu kleinen und leistbaren, haben sie jedoch zu spät erkannt. Chinesische Hersteller laufen ihnen, in Europa sowie im wichtigen Absatzmarkt China, den Rang ab. Im Rest der Welt spielen Elektro-Auto ohnehin eine untergeordnete Rolle.
Von den in Österreich verkauften E-Autos finden nur etwa 20 % private Käufer. Der überwiegende Anteil geht an Firmen bzw. deren Mitarbeiter, die von Steuervorteilen profitieren. Dieser Markt scheint jedoch gesättigt. Ohne steuerliche Vorteile sind E-Autos für die breite Masse an Autofahrern augenscheinlich zu unattraktiv. Oder, trotz Förderungen, schlichtweg zu teuer. Oftmals mangelt es auch an der erforderlichen Ladeinfrastruktur, besonders in Städten. Neuerdings häufen sich Berichte über hohe Reparaturkosten von E-Autos. Alles in allem schwindet der Zuspruch.
Kehrtwende der Politik
Übereinstimmenden Berichten zufolge nannte Martin Weber, Vorsitzender der Europäischen Volkspartei EVP, das Verbot für Verbrennungsmotoren einen schweren industriepolitischen Fehler, von dem China profitiere. Seiner Ansicht nach soll die Entscheidung nach den Europawahlen „geheilt“ werden.
Sogar EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte im Februar 2024, dass sowohl Technologie-Offenheit als auch Wahlmöglichkeiten für Verbraucher weiterhin bestehen sollen. Ebenso solle die Industrie weiterhin wählen können, in welche Mobilität der Zukunft sie investiert. Diese Kehrtwende ist umso erstaunlicher als die Basis für das Verbrenner-Aus, Europas visionärer Grüner Deal, aus der Feder der Kommissionspräsidentin stammt und das Leuchtturmprojekt ihrer Amtszeit werden sollte.
Wahlgeplänkel oder echter Meinungsumschwung?
Im Vorfeld der nahenden Europawahlen hat die EU-Kommission bereits einigen Berufs- und Interessengruppen Zugeständnisse gemacht, beispielsweise den Bauern und zuletzt großen Unternehmen mit dem Entschärfen der EU-Lieferketten-Richtlinie. Die neu aufkeimende Diskussion über das Verbrenner-Aus davon reiht sich hier nahtlos ein.
Wie viel davon echter Meinungsumschwung ist, oder ob es nur Lippenbekenntnisse sind, die bei der Wahl Stimmenanteile retten sollen, bleibt abzuwarten. Standort- und industriepolitisch wäre ein Überdenken des Verbrenner-Verbots gerechtfertigt.
Dieser Artikel ist erstmals im Börsen-Kurier Nr. 18 vom 2. Mai 2024 erschienen.