Droht ein Verbot von Stammkunden?
Mitarbeiter, die mit der Erfüllung von Sorgfaltspflichten betraut sind, sollen den Compliance-Beauftragten über alle engen privaten oder beruflichen Beziehungen unterrichten, die sie zu (potentiellen) Kunden des verpflichteten Unternehmens unterhalten. Sie dürfen dann in Bezug auf diese Kunden keine Sorgfaltspflichten wahrnehmen.
Bedeutet das ein „Stammkunden-Verbot“? Müssen Family & Friends sowie Ehepartner, Eltern und Kinder dann per Definition beim Mitbewerber kaufen? Dieser Passus birgt enorme Sprengkraft für die Praxis.
Bewertung der Integrität
Jeder Mitarbeiter, der unmittelbar an der Erfüllung von Sorgfaltspflichten beteiligt ist, muss sich bei Einstellung sowie regelmäßig einer angemessenen Bewertung unterziehen, deren Inhalte vom Compliance-Beauftragten genehmigt werden. Hinsichtlich der internen Strategien, Verfahren und Kontrollen ist eine „unabhängige Prüffunktion“ einzurichten. Bemerkenswert: Ausnahmen für kleine Unternehmen sind nicht vorgesehen.
Weitere „Highlights“
Die allermeisten Handelsgewerbetreibenden profitieren von der Bargeldobergrenze. Nachdem Barzahlungen ab 10.000 Euro verboten werden, zählen die meisten nicht mehr zum Kreis der Verpflichteten. Dafür sollen Fußballvermittler und Profifußballvereine sowie Kreditvermittler in diese Gruppe aufgenommen werden. Die Mitgliedstaaten können fallweise Ausnahmen bestimmen. Womit es trotz Verordnung länderspezifische Unterschiede geben wird.
Händler mit hochwertigen Gütern und Kunsthändler haben zusätzlich zu ihrem direkten Kunden auch die Lieferanten der Waren als Kunden zu betrachten – und die Sorgfaltspflichten zu erfüllen. Im Rahmen der Sorgfaltspflichten soll generell überprüft werden, ob Kunden oder wirtschaftliche Eigentümer gezielten finanziellen Sanktionen unterliegen. Eine reine PEP-Prüfung reicht also zukünftig nicht mehr.
Bei all den Verschärfungen überrascht es, dass bei Geschäftsbeziehungen, denen geringes Risiko zugeordnet wird, das Überprüfen (nicht jedoch das Feststellen) der Identität des Kunden und wirtschaftlichen Eigentümers bis zu 60 Tage nach Aufnahme der Geschäftsbeziehung erfolgen kann.
Frühestens Mitte 2027
Nachdem es sich um auf EU-Ebene abgestimmte Texte handelt, ist – insbesondere hinsichtlich der haarsträubenden Details – zu befürchten, dass es zu keinen wesentlichen Änderungen mehr kommt. Ob Richtlinie und Verordnung noch vor den Europawahlen im Juni 2024 fertig werden, ist offen. Nach Inkrafttreten haben sie Mitgliedstaaten und Verpflichteten 36 Monate Zeit, die Bestimmungen umzusetzen. Bis Mitte 2027 bleibt also voraussichtlich noch alles beim Alten.
Zeitleiste: Maßnahmen der EU gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung