EU einigt sich auf strenge Regeln für ESG-Rating-Tätigkeiten
Anfang Februar 2024 haben sich die EU-Institutionen auf einen Verordnungsentwurf zu Rating-Tätigkeiten in den Nachhaltigkeitsbereichen Umwelt, Soziales und Governance (ESG) geeinigt. „Wenn wir durch transparente und regulierte ESG-Ratings das Vertrauen der Anleger stärken, kann dies unseren Übergang zu einer sozial verantwortlicheren und nachhaltigeren Zukunft erheblich beeinflussen.“, begrüßt der belgische Finanzminister Vincent van Peteghem die Einigung.
Trend zu nachhaltigen Investments
Um die visionären Klima- und Umweltziele des europäischen Grünen Deals zu erreichen, sollen Anleger verstärkt in nachhaltige Finanzprodukte, wie Investmentfonds, ETFs und Lebensversicherungen, investieren. Diese berücksichtigen bei Investitionsentscheidungen entweder ökologische oder soziale Merkmale (Artikel 8-Produkte) oder streben nachhaltige Investition an (Artikel 9-Produkte).
Damit Produkthersteller das Ausmaß der Nachhaltigkeit ihrer Produkte bzw. Investitionen im Sinne der EU-Taxonomie bewerten können, benötigen sie eine Vielzahl an Unternehmensdaten. Das Taxonomie-konforme Berichtswesen der Unternehmen hinkt der Notwendigkeit der Daten jedoch um Jahre hinterher.
Die Datenlage ist mangelhaft. Ganz abgesehen davon, dass auch in der Endausbaustufe des Berichtswesens (2029) nicht alle investierbaren Unternehmen verpflichtet sind, Taxonomie-konforme Daten zu veröffentlichen.
Qualität und Vergleichbarkeit erhöhen
Notgedrungen behelfen sich Produkthersteller mit Daten, die sie von ESG-Rating-Agenturen (um teures Geld) zukaufen. Klangvolle Vertreter sind etwa MSCI ESG, Sustainalytics oder ISS. Die Korrelation zwischen den einzelnen Anbietern ist Analysen zufolge oft gering. Ein und dasselbe Unternehmer kann bei Anbieter A „supergrün“, bei Anbieter B „eingeschränkt grün“ eingestuft sein.
Mit den neuen Vorschriften sollen Zuverlässigkeit und Vergleichbarkeit von ESG-Ratings gestärkt werden, indem Transparenz und Richtigkeit von ESG-Daten verbessert und gleichzeitig potenzielle Interessenkonflikte vermieden werden. Denn, so die EU, ESG-Ratings werden immer wichtiger für das Funktionieren der Kapitalmärkte und das Vertrauen der Anleger in nachhaltige Produkte.
Unter Aufsicht der ESMA
Anbieter von ESG-Rating sollen zukünftig von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA zugelassen und beaufsichtigt werden. Sie müssen dazu Transparenzanforderungen erfüllen, insbesondere hinsichtlich ihrer Methodik und ihrer Informationsquellen. Produkthersteller und Finanzberater, die ESG-Ratings im Rahmen ihres Marketings verwenden, müssen auf ihrer Internetseite Informationen darüber veröffentlichen.
In der EU niedergelassene Anbieter von ESG-Ratings – das sind die wenigsten, zumeist handelt es sich um US-amerikanische Anbieter – sollen über eine Zulassung durch die ESMA verfügen. Anbieter von außerhalb der EU können anhand quantitativer Kriterien anerkannt, oder auf Basis eines Gleichwertigkeitsbeschlusses in Bezug auf ihr Herkunftsland und eines Dialogs zwischen der ESMA und der betreffenden zuständigen Behörde des Drittlands in das EU-Register für Anbieter von ESG-Ratings aufgenommen werden. Das klingt nach erheblichem Bürokratie-Aufwand.
Für kleine Anbieter von ESG-Ratings soll es vereinfachte Anerkennungsregelungen geben, die ESMA kann beschließen, dass sie von einigen Anforderungen auszunehmen sind. Ein europäisches Level-Playing-Field, also gleiche Wettbewerbsbedingungen, entsteht dadurch nicht.
Der Verordnungsentwurf sieht auch den Grundsatz einer Trennung der ESG-Rating-Tätigkeiten von anderen Tätigkeiten vor. Wer ESG-Daten anbietet darf gleichzeitig nicht beraten, prüfen oder Kreditratings erstellen.
Dieser Beitrag ist erstmalig im Börsen-Kurier Nr. 11 vom 14. März 2024 erschienen.