ESMA und EU sagen Greenwashing den Kampf an
Im Sinne der EU-Taxonomie-Verordnung sprechen wir von „Greenwashing“, wenn ein Finanzprodukt als umweltfreundlich beworben und damit ein unfairer Wettbewerbsvorteil erlangt wird, obwohl grundlegende Umweltstandards nicht eingehalten werden. Dieser Praxis, neuerdings als „Grünfärberei“ bezeichnet, wollen ESMA und EU einen Riegel vorschieben.
ESMA-Leitlinien zu „grünen“ Fondsnamen
Am 20. Februar 2023 lief die Konsultationsfrist für den Entwurf der europäischen Wertpapieraufsicht ESMA zu Leitlinien für die Verwendung von ESG- oder nachhaltigkeitsbezogenen Begriffen in Fondsnamen ab. Diese strengen Regeln für Fonds sollen gewährleisten, dass wo „grün“ draufsteht, auch wirklich „grün“ drinnen ist. Begeisterung löst diese Idee in der Fondsbranche nicht aus.
Die ESMA schlägt vor, dass ein Fonds, der ein ESG-bezogenes Wort im Namen trägt, eine nachhaltige Anlagestrategie verfolgen muss, die zu mindestens 80 Prozent ökologische oder soziale Merkmale gemäß der EU-Offenlegungs-Verordnung aufweist.
Trägt ein Fonds das Wort „nachhaltig“ oder einen davon abgeleiteten Begriff im Namen, soll mindestens die Hälfte der 80 Prozent-Quote, also 40 Prozent des Fondsvermögens, im Sinne der Definition von „nachhaltigen Investitionen“ laut EU-Offenlegungs-Verordnung getätigt werden
Schätzungen einer großen Rating-Agentur besagen, dass derzeit nur etwa 18 Prozent aller Artikel 8-Fonds den Ideen der ESMA entsprechen. Ein Grund dafür ist, dass es an klaren Kriterien für das Bewerten und Berechnen von nachhaltigen Investitionen mangelt. Fondsanbieter befinden sich also auf rechtlich dünnem Eis.
Viele Artikel 9-Fonds wurden deshalb bereits herabgestuft (Lesen Sie dazu auch den Beitrag Sustainable Finance: Wird „Artikel 9“ zum Rohrkrepierer?). Zu befürchten ist, dass die strengen ESMA-Regeln (so sie in dieser Form tatsächlich kommen) auch der Todesstoß für Artikel 8-Fonds – und damit für die ganze EU-Idee des nachhaltigen Investierens – sind.
EU-Verbraucherschutz-Richtlinie
Auf EU-Ebene wird derzeit ein Entwurf zu einer Richtlinie „hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen“ diskutiert.
Die EU-Kommission hat in einer Studie 150 Umweltaussagen bewertet, und kam zum Ergebnis, dass in einem breiten Spektrum von Produktgruppen ein wesentlicher Anteil (53,3 Prozent) vage, irreführende oder unbegründete Informationen über die Umwelteigenschaften der Produkte enthält. Das ist der EU ein Dorn im Auge.
Daher soll die EU-Verbraucherschutz-Richtlinie, neben einem Beitrag zur kreislauforientierten, sauberen und grünen EU-Wirtschaft, Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken, neudeutsch „Grünfärberei“, besser schützen. Gleichzeitig sieht der Richtlinienentwurf ein Verbot von unzuverlässigen und nicht transparenten Nachhaltigkeitssiegel vor. Die EU will also auch den Wildwuchs an (fallweise fragwürdigen) ESG-Siegeln eindämmen.
Als unlautere Geschäftspraktik hinsichtlich Grünfärberei wird das Treffen einer allgemeinen Umweltaussage definiert, wobei die anerkannte hervorragende Umweltleistung, auf die sich die Aussage bezieht, nicht nachgewiesen werden kann. In dieser Definition steckt große Sprengkraft, denn es stellt sich die Frage, was in der Praxis eine „anerkannte hervorragende Umweltleistung“ ist, wer das entscheidet und wie der Nachweis aussehen muss
Der Entwurf nennt explizit eine Vielzahl an allgemeinen Umweltaussagen, die ohne Nachweis verboten werden sollen, wie zum Beispiel: „umweltfreundlich“, „öko“, „grün“, „ökologisch“, „klimafreundlich“, „CO2-neutral“, „CO2-positiv“ und „energieeffizient“. Wie weisen Sie als Unternehmen unzweifelhaft nach, dass Sie oder Ihre Produkte „klimaneutral“ oder sogar „klimapositiv“ sind? Das könnte schwierig werden.
Zum Beispiel wäre die auf ein Produkt bezogene Aussage „biologisch abbaubar“ eine allgemeine Aussage und daher verboten. Erlaubt, weil ausreichend spezifisch, wäre hingegen die Aussage: „Die Verpackung ist im Falle der Eigenkompostierung innerhalb eines Monats biologisch abbaubar.“
Vorsicht in Gesprächen und auf Internetseiten
Die Pläne der ESMA und EU sind noch Zukunftsmusik. Trotzdem werfen Verbraucherschutzorganisationen, Rechtsanwälte und Journalisten-Netzwerke bereits heute ein strenges Auge auf ESG-bezogene Aussagen und irreführend verwendete Gütesiegel. Zu den rechtlichen Konsequenzen gesellen sich erhebliche Reputationsrisiken gegenüber Konsumenten und der Öffentlichkeit.
Ratsam ist es daher, schon heute in Kundengesprächen, auf der Internetseite sowie in Marketingunterlagen vorsichtig bei der „grünen“ Wortwahl zu sein.
Dieser Beitrag ist auch im Börsen-Kurier vom 13. April 2023 erschienen.